07.05.2024

Bruckners Sinfonie Nr. 8 c-moll

Zum weltweit ersten Mal werden im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2024 alle elf Sinfonien Bruckners im Originalklang zur Aufführung kommen, eine Entdeckungsreise in elf Konzerten, die als Zyklus nur im Brucknerhaus Linz und dort jeweils exklusiv in Österreich zu hören sind. 

Die Sinfonien erklingen dabei stets in ihrer Erstfassung, gespielt werden sie von elf der renommiertesten Originalklangorchester Europas unter der Leitung von elf namhaften Dirigenten. Im Interview geben sie Auskunft über ihre Sicht auf Bruckner und darüber, welche Erwartungen sie mit Blick auf dieses besondere Projekt haben.

Am 10. September präsentiert Orchestre des Champs-Élysées unter der Leitung von Philippe Herreweghe Anton Bruckners Sinfonie Nr. 8 c-moll, WAB 108 (1884–87) „Fassung 1887“  sowie Werke von Heinrich Ignaz Franz Biber.

 

Philippe Herreweghe im Interview

 

Jan David Schmitz: Wieso eigentlich Bruckner im Originalklang?

Philippe Herreweghe: Bei Anton Bruckner geht es, mehr noch als bei anderen Komponisten, vor allem um den Geist und die Seele seiner Werke. Zudem kommt es selbstverständlich auf die Technik, das musikalische Verständnis, das Talent und die Erfahrung der Ausführenden an. Die Mitglieder des Orchestre des Champs-Élysées sind alle Spezialisten für „Alte Musik“. Sie sprechen daher eine andere Sprache als ihre „modernen“ Kollegen, die sich mehr auf eine andere Art der Artikulation fokussieren. Der Originalklang konzentriert sich auf die gesprochene und gesungene Sprache, welche die Grundlage des Verständnisses der Musik dieser Zeit bildet.

JDS: Worin liegen aus Ihrer Sicht die größten Unterschiede zwischen der Aufführung einer Bruckner-Sinfonie auf historischen im Vergleich zu modernen Instrumenten?

PH: Die historischen Instrumente tragen zu einem natürlichen klanglichen Gleichgewicht zwischen den Instrumentengruppen bei. Das schaffen moderne Instrumente nicht. Besonders durch die zu Bruckners Zeit noch üblichen Darmsaiten der Streichinstrumente sowie die Blasinstrumente mit engerer Mensur gelingt es, diese Balance herzustellen. Außerdem produzieren die historischen Blasinstrumente weniger Dezibel und unterstützen so ebenfalls das Zustandekommen eines Gleichgewichts.

JDS: Weshalb hat die historische Aufführungspraxis gerade um Bruckners Sinfonien so lange einen großen Bogen gemacht?

PH: Eine gründliche Vorbereitung und Einstudierung der monumentalen Bruckner-Sinfonien ist nahezu unbezahlbar. Der Schwerpunkt meiner Laufbahn lag bisher auf der Aufführung von älteren Werken, für die man wesentlich kleinere Orchesterbesetzungen benötigt, für die also ein geringeres Budget ausreicht. Der gemeinsame „Bruckner-Weg“ mit dem Orchestre des Champs-Élysées ist daher noch schmal. Das liegt auch daran, dass unser Heimatland Frankreich nicht gerade ein „Bruckner-Land“ ist. Es gibt dort kaum Säle, in denen sich Bruckners Musik akustisch angemessen entfalten kann.

JDS: Wie wird der Einsatz des historischen Instrumentariums unser Bruckner-Bild verändern?

PH: Er wird sich besonders auf die Klangfarbe auswirken. Das oben angesprochene Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen trägt zum Bespiel dazu bei, dass die Melancholie in den langsamen Sätzen zum Ausdruck kommen kann. Auch ist der Klang aufgrund der historischen Blasinstrumente insgesamt weniger „aggressiv“.

JDS: Warum die ‚Achte‘ in der „Fassung 1887“? Was fasziniert Sie an diesem Werk? 

PH: Die ‚Achte‘ liegt mir sehr am Herzen: Allein für das Adagio würde ich mein Leben geben! Die Sinfonie ist äußerst schwierig und nachdenklich. Der große Dirigent Hermann Levi schrieb 1887, dass sie ihm auch nach intensivstem Studium noch unergründlich sei. Nach dem großen Erfolg der ‚Siebten‘ sah sich Bruckner einem immer stärkeren Erwartungsdruck ausgesetzt und versuchte dementsprechend, sich selbst zu übertreffen. Nach Levis Weigerung, die Sinfonie zu dirigieren, verfiel er in eine selbstmörderische Depression und begann sofort, das Werk zu überarbeiten, also nicht erst nach etlichen Jahren, wie es bei anderen seiner Sinfonien der Fall war. Daraus resultierte die „Fassung 1890“ der ‚Achten‘, wohingegen die Erstfassung von 1887 Bruckners ursprüngliche Intentionen widerspiegelt. 

 

Philippe Herreweghe © Michiel Hendryckx
Philippe Herreweghe © Michiel Hendryckx
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