30.04.2024

Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur

Zum weltweit ersten Mal werden im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2024 alle elf Sinfonien Bruckners im Originalklang zur Aufführung kommen, eine Entdeckungsreise in elf Konzerten, die als Zyklus nur im Brucknerhaus Linz und dort jeweils exklusiv in Österreich zu hören sind. 

Die Sinfonien erklingen dabei stets in ihrer Erstfassung, gespielt werden sie von elf der renommiertesten Originalklangorchester Europas unter der Leitung von elf namhaften Dirigenten. Im Interview geben sie Auskunft über ihre Sicht auf Bruckner und darüber, welche Erwartungen sie mit Blick auf dieses besondere Projekt haben.

Am 6. Oktober präsentiert Le Cercle de l’Harmonie unter der Leitung von Jérémie Rhorer Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur, WAB 107 (1881–83) sowie Werke von Ernest Chausson.

 

Jérémie Rhorer im Interview

 

Jan David Schmitz: Wieso eigentlich Bruckner im Originalklang?

Jérémie Rhorer: Bis zum Internationalen Brucknerfest Linz 2020 hatte ich nie erwogen, Bruckner auf historischen Instrumenten zu spielen. Er war aus meiner Sicht nicht Teil unseres ‚Repertoirebogens‘, der sich im sinfonischen Bereich von Joseph Haydn bis zu Johannes Brahms spannt. Vielmehr schien er mir eine Art Vorläufer der Postromantik zu sein und eine radikale ästhetische Wende zu verkörpern, die einen historischen Bruch mit der vorangegangenen Epoche markiert. Erst die Einladung, Brahms’ ‚Erste‘ in Kombination mit Bruckners ‚Zweiter‘ aufzuführen, machte mir klar, dass die kulturelle Matrix beider dieselbe ist und es Bruckners Inspiration und Kreativität waren, die ihn eine andere Richtung einschlagen ließen.

JDS: Worin liegen aus Ihrer Sicht die größten Unterschiede zwischen der Aufführung einer Bruckner-Sinfonie auf historischen im Vergleich zu modernen Instrumenten?

JR: Struktur und Wesen der Orchester haben sich vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr verändert. Die Weiterentwicklung der Instrumente brachte etwa den Blechbläsern eine größere Klangkraft, wodurch aber eine Diskrepanz zu den Holzbläsern entstand. Die ursprüngliche Symbiose von Holz- und Blechbläsern, bei der zum Beispiel die Hörner als natürliche Ergänzung der Holzbläser, insbesondere der Fagotte, fungieren, ist daher mit den heutigen Instrumenten kaum herzustellen. Das moderne Instrumentarium verleitet Dirigenten zudem häufig dazu, einen Ansatz für ihre Interpretation zu wählen, von dem die Komponisten noch gar keine Ahnung haben konnten.

JDS: Weshalb hat die historische Aufführungspraxis gerade um Bruckners Sinfonien so lange einen großen Bogen gemacht?

JR: Seine Sinfonien haben sich aufgrund ihres Charakters nicht gerade als erstes Ziel einer entsprechenden Auseinandersetzung angeboten. Bruckner war kein akademischer Komponist, seine Inspiration führte ihn auf Wege, die zuvor niemand zu beschreiten gewagt hatte. Er wurde folglich als Repräsentant einer neuen Schule gesehen, die sich vom Kanon der Barockmusik, der Klassik und der Vorromantik abwandte. Damit verkörperte er einen Bruch, der erst einmal abschreckend auf die Originalklangbewegung wirken musste, die aus eben dieser Tradition kommt.

JDS: Wie wird der Einsatz des historischen Instrumentariums unser Bruckner-Bild verändern?

JR: Man wird einer Klanglandschaft begegnen, die auf eine bisher ungekannte Art ausgeglichen ist, sich wesentlich homogener präsentiert und so den musikalischen Text und seine Aussage präziser, weniger ‚gigantomanisch‘ und außerdem viel kontrastreicher, artikulierter und ausbalancierter zutage treten lässt. 

JDS: Warum die ‚Siebte‘? Was fasziniert Sie an diesem Werk?

JR: Unter allen Sinfonien Bruckners ist die ‚Siebte‘ für mich diejenige mit der klarsten und zugleich persönlichsten Architektur. Bruckners beinahe mystische Inspiration lässt, etwa im einzigartigen Adagio, das den Weg für eine ganz neue Art des Ausdrucks ebnet, eine Intensität entstehen, die geradewegs in ein Paralleluniversum führt, wahrscheinlich in das des Spirituellen. Außerdem vermittelt der Einsatz einer sozusagen fluiden Harmonik das Gefühl eines ununterbrochenen melodischen Flusses, was das Anhören sehr eindringlich macht. Zugleich enthält diese Sinfonie in konzentrierter und perfekt integrierter Form alles, was Bruckners musikalischen Kanon ausmacht. Deshalb betrachte ich sie, neben den letzten beiden Sinfonien, als eines seiner drei Meisterwerke. 

 

Jérémie Rhorer © Caroline Doutre
Jérémie Rhorer © Caroline Doutre
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