Programmheft zur Veranstaltung
Bruckners Sinfonien im Originalklang
Aneignen
Im Herbst 1872 nahm Anton Bruckner seine Sinfonie Nr. 3 d-moll in Angriff, die er nach ihrer Fertigstellung im Jahr darauf zusammen mit der Sinfonie Nr. 2 c-moll dem vergötterten Richard Wagner bei einem Besuch in Bayreuth zur Widmung anbot, der sich für die ‚Dritte‘ entschied, die ihm denn auch „in tiefster Ehrfurcht gewidmet“ wurde. Um eine „Wagner-Sinfonie“ handelt es sich jedoch höchstens bei der „Fassung 1873“, die noch alle später größtenteils getilgten Anspielungen auf, Reminiszenzen an und Zitate aus Werken ihres Widmungsträgers enthält, der sich folglich in der ins Sinfonische gewendeten Spiegelung seines Schaffens, die Bruckner ihm damit vermeintlich vorhielt, wiedererkennen konnte, dabei aber verkannte, dass hier vielmehr eine gezielte Aneignung spezifischer Elemente seiner Tonsprache durch den Verehrer stattfand. Kombiniert wird Bruckners musikalische Verneigung vor dem „heißgeliebten unsterblichen Meister“ naheliegenderweise mit zwei Kompositionen Wagners: der Faust-Ouvertüre d-moll, der Bruckner ein Motiv entnahm, das er im Finalsatz seines 1878/79 entstandenen Streichquintetts F-Dur verarbeitete, sowie den als „Wesendonck-Lieder“ bekanntgewordenen Vertonungen von fünf Gedichten Mathilde Wesendoncks, von denen Wagner zwei, Im Treibhaus und Träume, explizit als „Studie zu ‚Tristan und Isolde‘“ bezeichnete, eine Oper, zu deren Uraufführung Bruckner 1865 nach München reiste. Dem Wechselspiel von An- und Zueignung lauscht mit der renommierten Sopranistin Christiane Karg, dem international gefeierten Originalklangorchester Anima Eterna Brugge und dem Stardirigenten Pablo Heras-Casado eine illustre Debütant*innenschar nach und lässt dabei Klang werden, was Verehrer und Verehrten miteinander verband, aber auch voneinander trennte.
Richard Wagner (1813–1883)
Eine Faust-Ouvertüre d-moll, WWV 59 (1839–40, rev. 1843–44 & 1855)
Fünf Gedichte für Frauenstimme und Orchester („Wesendonck-Lieder“), WWV 91 (1857–58, 1893)
[Orchestrierung von Felix Mottl (1856–1911)]
– Pause –
Anton Bruckner (1824–1896)
Sinfonie Nr. 3 d-moll, WAB 103 (1872–73) „Fassung 1873“
Christiane Karg | Sopran
Anima Eterna Brugge
Pablo Heras-Casado | Dirigent